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Eine Hommage an die Leere
Silke Schoener ist mutig, sie überlässt der weißen Fläche das große Feld der Imagination.
Vielleicht hat es tatsächlich mit Frau Weiß begonnen, dass sich Silke Schoener auch für eben diese Farbe entschieden hat. Irgendwann tauchte in den strengen Geometrien ihrer frühen Malerei das Porträt von Frau Weiß auf und dann waren da plötzlich diese weißen, leeren Flächen, die das Interesse der Künstlerin weckten. Von nun an dominierte die weiße Fläche, der ungemalte Raum ihre realistischen Motive. Es beginnt mit Landschaften und Straßenszenen, die sie inspirieren. Orte und Menschen, die sie fotografiert, weil „sie schön sind und mich emotional berühren“, das ist eine der Realitäten, die sie mit ihrer Malerei auf die riesigen Leinwände transportiert. Die andere Wirklichkeit ist unsichtbar und wächst wie von einem imaginären Gedanken genährt aus ihren Bildern. Ihre Landschaften, Bäume und Seen fließen in die Fläche ohne Zeichen. So wendet sie sich direkt an die Vorstellungskraft des Betrachters. Häufig finden sich ihre Landschaften und realistischen Szenarien in der ausgeloteten Mitte der Leinwand. Das offensichtliche Nichts erstreckt sich auf eine ruhige und einnehmende Weise in ihre Wirklichkeit – damit entsteht ein Kontrapunkt zum Realen, eine Abstraktion die in ihrer Begrenzung wiederum eine Realität darstellt.
„Damit biete ich dem Betrachter beides, er entdeckt bekanntes und findet einen direkten Zugang, gleichzeitig ist er durch die Weißflächen irritiert und seine Phantasie wird angeregt, die Bilder zu ergänzen.“ Eigentlich ist es ganz schön mutig mit soviel Nichts zu arbeiten, doch die selbstbewusste Künstlerin nutzt die absichtliche Leerstelle in ihrer Malerei als Prinzip mit hohem Wiedererkennungswert.
Mit ihren konstruierten Weißflächen durchbricht sie gängige Sehgewohnheiten und macht internationale Galeristen auf sich aufmerksam.
Eine weis(s)e Entscheidung
Eine New Yorker Galeristin entdeckt ihre hervorstechenden nordhessischen Landschaften in einem Künstlerforum und plötzlich hat die gebürtige Westfälin ihre erste Ausstellung in den USA. Der Mut zum „weißen Raum“ hat sich gelohnt, mittlerweile hat Silke Schoener viele nationale und internationale Kontakte. Ihre realistischen Landschaften sind eine Hommage an das triumphale Weiß, das ihren stillen Bildräumen zu einer weichen Monumentalität verhilft. Auf den ersten Blick erscheinen ihre Auen und Winterlandschaften surreal und märchenhaft, wie aus einer anderen Welt tauchen sie aus dem Nichts auf und sind zum Greifen nah. Intuitiv konstruiert die Künstlerin einen romantischen Mikrokosmos, in dem Ruhe und Bewegung perfekt ausbalanciert sind. Lauscht man, so hört man die Fußstapfen im Schnee, das Wiegen der Trauerweide und das Plätschern des Wassers. Ihre Malerei ist eine Kombination verschiedener Realitäten, einerseits präsentiert die weltliche Oberfläche und verleitet andererseits sich auf die innere, emotionale Welt einzulassen.
Dunkle Kammerspiele
Mit den Landschaften kommen auch die Menschen wieder zurück in ihre Bilder.
Das Theater liefert der 42jährigen Künstlerin eine neue Idee: „Die Proben von Arthur Millers Hexenjagd inspirierten mich, das noch nicht Gesagte, die isolierten Szenen - die Weißräume- in meinen Ölgemälden sichtbar zu machen.“
Ihre Kompositionen erinnern an die niederländischen Meister, sie sind sehr detailreich und effektvoll. Die Kostüme verschmelzen oftmals mit dem schwarzen Hintergrund und das Stilmittel der weißen Leerstelle erzeugt einen Spot auf die Bühne und ihre Akteure. Die bewusst gewählten Kontraste bewegen ihre Theaterbilder, unwirklich und geheimnisvoll entbergen und verbergen sie zugleich. Als hätte sich ein Guckkasten für einen Moment geöffnet und man selbst wird zum Voyeur einer intimen, privaten Szenerie – ein Realismus der allein durch die dominante Weißfläche eine phantastische Wirkung erhält.
Silke Schoener ist eine Meisterin dieser dunklen Kammerspiele. Ihrem konzeptionellen Ansatz verschiedene Wirklichkeiten in einem Bild darzustellen, bleibt sie treu. „Ich möchte die räumliche und zeitliche Wahrnehmung miteinander verbinden und die gegenseitige Beeinflussung in meinen Bildern wirken lassen.“ Wieder wird der „Raum im Bild nicht überall benannt, ähnlich ihrer Landschaftsbilder, kommt auch hier das mit dem Raum verbundene Zeitgefühl ins Schwanken und die Orientierung im Bild muss neu überprüft werden.“
Die Stille führt Regie
Trotzdem stellt sich neben der Sogwirkung auch die von Silke Schoener so geliebte Stille ein, alles Dargestellte erscheint eingefroren und konzentriert. Eine Ruhe, die zugleich etwas Romantisches und Bewegendes ausstrahlt. Mit Zollstock und Augenmass konstruiert Schoener ihren perfekten Bildraum. Die isolierten Szenen und Gegenstände balancieren auf eine rätselhafte Weise die Leerstellen, oder ist es vielleicht doch umgekehrt. Das Wandeln zwischen Nichts und Abgrund schafft eine völlig unerwartete Bühne.
Der Künstlerin ist die Abgeschiedenheit im Atelier wichtig: „ich mache laut Musik an und male.“ Silke Schoeners Inszenierungen sind auf die Leinwand projizierte Zuspitzungen: schwarz und weiß wirken in ihren Theaterbildern wie ein Katalysator. Die Akteure bleiben auf Distanz aber diese gemalte Dramaturgie bleibt für immer im Gedächtnis.
Angelika Froh über Silke Schoener